Kategorien
Theater

100 mal „Die Fete endet nie“ – Interview mit Regisseur Olaf Becker

100 erste Küsse,100 erste große Feten, 100 mal „Forever young“ – 100 mal „Die Fete endet nie“.

Am 14.09.2018 wurde im Boulevardtheater Dresden die beliebte Kultmusikkomödie „Die Fete endet nie“ zum 100. Mal aufgeführt. Nach einer unvergesslichen Bühnenshow war das bunt durchmischte Publikum noch zur „DISKO im Foyer“ eingeladen, um mit den Schauspielern zu tanzen, zu singen und zu feiern. Doch das Jubiläum war nicht der einzige Grund um zu feiern, denn das Boulevardtheater selber hatte auch sein 4-jähriges Bestehen.

Seit April 2015 lockt „Die Fete endet nie“ mit der perfekten Mischung aus Musik, Schauspiel, Tanz, Emotion und Erinnerung zahlreiche Besucher von Jung bis Alt an.

Angelehnt an den französischen Filmklassiker „La Boum – Die Fete“ erleben Teenager ihre erste große Fete und die erste große Liebe. Es wird romantisch, witzig, emotional, und die größte Lüge seit Menschengedenken fliegt auf.

Das Besondere an der Inszenierung im Boulevardtheater ist, dass die Hauptfiguren Sophie (Katharina Eirich) und Pierre (Andreas Köhler) einen Rückblick auf ihre Jugend erleben und die jüngeren Versionen ihrer selbst (Stefanie Bock und Volkmar Leif Gilbert) bei ihrer ersten Fete begleiten, nachdem sie sich 25 Jahre später wieder treffen, als sie für die erste große Fete ihrer eigenen Kinder Taxi spielen. Versüßt mit 80er-Hits von „Walking on sunshine“ bis „Reality“ kann man den Weg von der ersten gemeinsamen Englischstunde, über die erste Fete, bis hin zum Wiedersehen der Jugendliebe nach 25 Jahren miterleben.

Und klar, dass man 25 Jahre später lieber Sprüche klopft als sich Tausend Fragen zu stellen – einer der Aspekte, warum das Stück auch nach 100 Aufführungen unbedingt noch sehenswert ist.

Verantwortlich für die gelungene Show ist neben den Schauspielern (Andreas Köhler, Katharina Eirich, Stefanie Bock, Volkmar Leif Gilbert, Katrin Jaehne/ Josefine Heidt, Philipp Richter, Stephan „Steppel“ Salewski, Andreas „Goldi“ Goldmann), die das Stück fantastisch umsetzten, Regisseur Olaf Becker, der neben Marten Ernst auch als Geschäftsführer des Theaters fungiert. Im Vorfeld der 100. Vorstellung der Fete haben die Kulturgeflüster-Reporterinnen Lisanne und Melina ihn zum Interview bezüglich des Jubiläums und des 4. Geburtstags des Theaters getroffen.

4 Jahre Boulevardtheater

Melina: Wie ist die Idee zur Neugründung des Theaters gekommen?

Herr Becker: Die Idee bestand nicht darin, dass wir eine Neugründung machen, sondern wir wollten unser eigenes Theater haben. Wir haben vorher schon viele andere Orte gesucht, wo wir das machen können. Viele Jahre war die Comödie Dresden unsere Heimatspielstätte, wo wir unsere Produktionen gezeigt haben, und dann reifte über die Jahre der Wunsch, ein eigenes Theater zu haben. Dann haben wir viel gesucht und die Betreiber des ehemaligen Theater Wechselbades wollten aufhören und dann haben sie uns gefragt, ob wir das Theater übernehmen wollen, und wir haben gesagt „NEIN, da verbindet uns nichts, wir möchten unser eigenes Theater, macht ihr mal Schluss und wir machen es dann komplett neu.“

Melina: Was hat sich in den vier Jahren seit der Gründung verändert?

Herr Becker: Grundsätzlich hat man eine Idee, eine Vision, und die versucht man umzusetzen. Von der Seite her, hat sich eigentlich gar nichts verändert in den vier Jahren. Also die Vision und die Idee war von Anfang an so klar definiert für uns, dass sich da gar nichts verändert hat. Natürlich lernen wir jeden Tag dazu, ganz organisch. Aber vom Grundprinzip ist es genau das, was wir von Anfang an machen wollten.

Melina: Wie viel Zuwachs hat das Team des Theaters in allen Bereichen bekommen?

Herr Becker: Also wir sind, glaube ich, gestartet mit ungefähr 50 Leuten und liegen jetzt ungefähr bei 100 Leuten, also haben uns nahezu verdoppelt.

Melina: Als Regisseur des Theaters, Geschäftsführer der TW.O GmbH, sowie des Theaters spielen Sie eine wichtige Rolle. Welcher Zusammenhang besteht dazwischen und wie kann man davon profitieren?

Herr Becker: Profitieren kann man eher weniger davon, weil man mit sich selber verhandeln muss. Auf der einen Seite will ich, was den Output betrifft, immer das Tollste, Beste und Schönste, und als Geschäftsführer muss ich auch schauen, dass es effizient und effektiv ist. Und da sagen sie immer: „Olaf, was soll denn das? Das ist zwar eine schöne Idee, aber wer soll denn das bezahlen?“ Zum Glück habe ich da den Marten Ernst, wir sind ja eine Doppelspitze und da können wir uns auch mal ‚reinteilen in „Good Guy and Bad Guy“. Wenn ich zum Beispiel Regie mache, dann halte ich mich sozusagen als Geschäftsführer zentral zurück, dann übernimmt Marten komplett die Rolle, und dann verhandeln wir eben miteinander und ich muss nicht mit mir selber verhandeln.

Melina: Was stellen Sie sich für die Zukunft des Theaters vor? Was gilt es in nächster Zeit zu verändern?

Herr Becker: Eigentlich nichts, also es gibt nichts, wo ich sage, da muss jetzt unbedingt was passieren. Ich finde es wahnsinnig toll und faszinierend, dass im gesamten Team, sich die Qualität, der Qualitätsanspruch, das Verständnis, die Liebe zu dem, was wir tun, ganz organisch und nicht aufgesetzt entwickelt.

Es gibt kein „Das nächste Mal müssen wir das irgendwie besser machen.“ Das passiert einfach, es wird das nächste Mal besser, weil man immer aus dem lernt, was man gerade tut, und dann wird es ganz organisch besser. Von daher gibt es eigentlich nicht so etwas, das im nächsten Jahr anders werden muss…das wird schon passieren, das wird anders!

100. Vorstellung der Fete

Lisanne: Ist es Zufall, dass der Geburtstags des Theaters und die 100. Vorstellung der Fete auf einen Tag fallen?

Herr Becker: Ja das ist wirklich totaler Zufall. Der Geburtstag ist uns eigentlich auch gar nicht „wichtig“, also den feiern wir auch gar nicht, weil wir ja eigentlich immer feiern. Wir haben immer Anlässe durch die Premieren und so weiter. Geburtstag feiern, das macht man vielleicht in Unternehmen wo diese Emotionskurven nicht naturgegeben sind. Bei uns geht es ja immer emotional ganz hoch, durch die Premieren.

Als wir dann halt merkten, dass die 100. Vorstellung schönerweise auf einen Freitag fällt, haben wir dann gesagt, der 14. September ist ja quasi unser Geburtstag. Aber das ist gar nicht so Thema, es hat sich durch die Duplizität der Ereignisse so ein bisschen hochgeschaukelt.

Lisanne: Wie kam es dazu, eine Musikkomödie, angelehnt an „La Boum – Die Fete“, zu schreiben?

Herr Becker: Die Idee ist eigentlich hornalt von uns, die liegt schon ganz lange in unserem Hinterkopf rum und in irgendwelchen Schubladen. Es war ursprünglich mal so gedacht, dass der Film sozusagen als solches, die Story des Films auf die Bühne gebracht werden sollte, und das ist jetzt für mich als Regisseur ziemlich uninteressant, und ich habe gesagt: „Ja, können wir versuchen, aber ich mach das dann nicht, dass Stück. Da müssen wir uns dann jemanden suchen.“ Und wir haben dann niemanden gefunden, der uns zugesagt hat das Stück zu machen und der Marten Ernst sagte dann: „Du Olaf, du musst das machen“, und ich dann so: „Gut, dann denke ich aber nochmal komplett darüber neu nach“. Und dann haben wir die Idee, so wie wir das Stück heute kennen, als Retrospektive, als Rückblick 25 Jahre später entwickelt und haben dann ein komplett neues Buch geschrieben und so kam es dann… aber die Idee ist schon sehr lange in unseren Köpfen.

Lisanne: Hätten Sie damit gerechnet, dass das Stück so einen großen Erfolg feiert?

Herr Becker: Da kommen wieder der Geschäftsführer und der Regisseur, die dann miteinander verhandeln, und der Geschäftsführer sagt dann, es muss. Wir sind ein privat finanziertes Theater, da gibt es natürlich auch gewisse Zwänge. Aber wir versuchen, uns hier Freiheit zu erlauben, trotzdem immer zu sagen, Erfolg ist eine Folgeerscheinung und kein Ziel. Also wir machen etwas, was wir machen wollen und wenn es dann erfolgreich wird, ist es umso schöner. Wir arbeiten auch immer daran, dass wir uns auch Flops leisten können. Dass das dann bei dem Stück so ein Erfolg geworden ist, so ein Kultstück, war am Anfang auch gar nicht abzusehen. Das wurde sehr verhalten angenommen, so: „Was ist das? Was soll das?“ und es ist auch eine neue Form gewesen, die wir versucht haben hier zu etablieren und war ein bisschen unbekannt. Jetzt ist es irgendwie wieder ganz einfach so nach dem Motto: Von den Machern von „Die Fete endet nie“, dann wissen alle, das wird toll. Aber das war damals was neues für Dresden und hat sich dann langsam zum Kult entwickelt. Und jetzt ist der Name des Stückes zum Programm geworden.

Lisanne: Was ist Ihrer Meinung nach ausschlaggebend dafür, dass die Fete auch nach 100 Vorstellungen noch so erfolgreich ist?

Herr Becker: Das Besondere ist, dass es sich um eine Emotion handelt, auf die sich jeder im Publikum verständigen kann. Jeder kann das nachvollziehen, dass ist keine Sache, die nur paar Leute interessiert, sondern das hat jeder erlebt. Die erste Liebe, der erste Kuss, darauf können sich alle verständigen, egal aus welcher Gesellschaftsschicht oder mit welchen politischen Ansichten. Natürlich diese wunderbare Musik aus den 80-ern – so wunderbar interpretiert von unseren SchauspielerInnen. Und die Schnelligkeit des Stückes. Es ist wie so ein Opening für einen Abend. Die meisten Menschen gehen raus und sagen: Jetzt geht es eigentlich erst so richtig los. Es ist wie so eine Ouvertüre, und man geht in einem bisschen positiven Sinne unbefriedigend raus und sagt sich, das muss ich mir nochmal angucken. Man geht nicht raus: Alles klar, habe ich jetzt gesehen, haben sie ausgekostet das Thema, breitgelatscht bis zum Get No, jetzt gucken wir mal was anderes an. Sondern man geht so ein bisschen wie gesagt „unbefriedigt“ raus und will eigentlich nochmal. Und das machen die Meisten auch und kommen dann nochmal und nochmal. Es gibt bestimmt auch ein paar Zuschauer, die kommen auch nahe an die 100 ran.

Lisanne: Was glauben Sie, wie oft beziehungsweise wie lange die Fete noch gespielt wird?

Herr Becker: Wie gesagt, ERFOLG IST EINE FOLGEERSCHEINUNG, dass kann ich nicht. Wenn das einer könnte, dann wäre er der erfolgreichste Mensch auf der Welt, dass kann ich nicht und da bin ich demütig genug, zu wissen, dass die Zeit sich weiterentwickelt. Scherzhaft könnte man vielleicht sagen, wir spielen solange, bis die Schauspieler noch zu ihrem Rollenfach passen. Vielleicht wachsen sie irgendwann aus ihrem eigenem Spielalter raus und wir sagen ,dass kann nicht sein, dass Stefanie Bock die Sophie in jung noch spielt, sie ist jetzt 54. Das Stück heißt: „Die Fete endet nie!“ – da ist der Name Programm.

 

Beitrag: Lisanne Richter, Melina Israel

Interview: Lisanne Richter, Melina Israel mit Olaf Becker

Foto: Katharina Köhler